Dienstag, 16. August 2016

Trinkfreudiger Mönch und Silberhorn

Kunstsachverständiger begutachtete im Museumsdorf

Familie Bethge aus Lüneburg zeigt dem Kunstsachverständigen Klaus-Dieter Müller (rechts) zwei Dachbodenfunde mit Goldrahmen. Foto: Christine Kohnke-Löbert
Eine Frau aus Uelzen hat sich noch nicht ganz entschieden, welche Stücke sie begutachten lassen möchte. Aus ihrem Familienfundus hat sie eine reiche Auswahl dabei, von der Kutschlampe, die ihre Eltern in den 1960er Jahren aus einem Holland-Urlaub mitgebracht haben, bis hin zum Römerglas und sechs zarten Limoges-Bechern aus Frankreich. In ihrer großen Tasche sind noch mehr Dinge verborgen, über deren Geschichte und vielleicht auch Wert sie an diesem Sonntag im Museumsdorf Hösseringen mehr erfahren möchte. Dort beantwortet der Kunstsachverständige Klaus-Dieter Müller aus Deutsch Evern den Museumsgästen Fragen zu Alter oder auch Herkunft ihrer ganz persönlichen Schätze. Der Andrang ist groß, und schon am Morgen bildet sich eine Warteschlange im Seminarraum des Museumsdorfes. Bis zum Abend soll das so bleiben. Unermüdlich nimmt Klaus-Dieter Müller all die Dinge entgegen, die die mehr als 160 Besucher mitgebracht haben. „Ist das ein echter George Grosz?“, möchte ein Besucher wissen. Immerhin sind seine Federzeichnungen mit Signum und Stempel versehen. Doch der scharfe Blick, wenn nötig mit Taschen- und Rotlichtlampe unterstützt, lässt kaum einen Zweifel: „Das ist ein Nachdruck. Eine echte Zeichnung hätte Verlaufsspuren im Papier hinterlassen“, ist sich der Experte sicher.
Familie Bethge aus Lüneburg hat zwei Bilder mitgebracht, die nach dem Ersten Weltkrieg über verschlungene Wege aus Posen in Familienbesitz gekommen sind. „Die lagen lange auf dem Boden. Wir möchten gerne wissen, wie wir sie einzuschätzen haben“, sagt Günther Bethge und ist doch ein wenig enttäuscht, als sich der trinkfreudige Mönch als Massenprodukt nach einem Vorbild um 1900 herausstellt. Dafür ist die „Schlittenfahrt im Schnee“ ein interessantes Stück, eine Kopie allerdings auch. „Das Motiv stammt von Wierusz-Kowalski, einem berühmten polnischen Maler“, stellt Klaus-Dieter Müller fest.
Manfred Völker, bis vor kurzem Dokumentar im Museumsdorf, hat ein schwieriges Exponat aus Museumsbeständen mitgebracht: Ein „Silberhorn“ mit Standfuß und Gravur. „Das Teil haben wir in der Sammlung noch nicht erfasst, weil wie nicht wissen, was es ist“, sagt er. Doch hier muss auch der Fachmann passen und die Einschätzung auf später vertagen. „Vielleicht ein Trinkhornhalter“, mutmaßt Klaus-Dieter Müller. Er macht auf jeden Fall ein Foto und verspricht, mehr dazu herauszufinden.
Die Frau aus Uelzen ist derweil noch mit der Sichtung ihrer Familienstücke beschäftigt. Soll sie das Teekännchen mit den japanischen Motiven oder lieber die grazile Rokokofigur zeigen? „Die stand bei uns immer in einer Vitrine. Sie stammt aus Frankreich, denn unter unseren Vorfahren gibt es Hugenotten“, erzählt sie. Auch über das kleine Poesiekästchen aus der Biedermeierzeit wüsste sie gern mehr.
Zeit zum Überlegen bleibt ihr genug, denn der große Andrang führt zu Wartezeiten. Die machen den Gästen aber wenig aus, denn das Begutachten der Sammelstücke stellt sich als spannender Zeitvertreib heraus. Viele Gäste unternehmen zwischendurch einen Spaziergang im Museumsdorf und bummeln durch die Ausstellungen. „Da haben wir wohl einen Nerv getroffen“, freut sich Museumsleiter Dr. Ulrich Brohm über den Zuspruch. Eine Wiederholung steht in Aussicht.