In Niedersachsen vom Aussterben bedroht
Deutschland hat einen neuen Vogel des Jahres: 2023 trägt das Braunkehlchen (Saxicola rubetra) den Titel und löst damit den Wiedehopf ab. Bei der dritten öffentlichen Wahl, die der NABU gemeinsam mit seinem bayerischen Partner, dem Landesbund für Vogel- und Naturschutz (LBV), ausgerichtet hat, haben insgesamt 134.819 Menschen mitgemacht. 58.609 (43,47 Prozent) Stimmen entfielen dabei auf das Braunkehlchen, 24.292 (17,99 Prozent) auf den Feldsperling, 22.059 (16,36 Prozent) auf den Neuntöter, 21.062 (15,62 Prozent) auf den Trauerschnäpper und 8.797 (8,53 Prozent) auf das Teichhuhn. Seit 1971 küren NABU und LBV jährlich den „Vogel des Jahres“. Seit 2021 wird er durch eine öffentliche Wahl bestimmt.
Das Braunkehlchen verdankt seinen Namen der braun-orangen Brust und Kehle. Foto: NABU/M. Schäf |
Das Braunkehlchen ist 2023 auch in Österreich zum Vogel des Jahres gewählt worden. 1987 trug es in Deutschland schon einmal diesen Titel.
„Wir freuen uns, dass erneut so viele Menschen an der Wahl zum Vogel des Jahres teilgenommen haben. Die Menschen haben in diesem Jahr eine europaweit stark gefährdete Vogelart gewählt und ihr so die dringend nötige Aufmerksamkeit verschafft“, erklärt Andrea Pohlen, Leiterin der NABU-Regionalgeschäftsstelle Heide-Wendland. „Das Braunkehlchen braucht ungemähte Wiesen und Blühstreifen. Diese sind jedoch durch die intensive Landwirtschaft immer seltener zu finden.“
Das Braunkehlchen ist 12 bis 14 Zentimeter groß und hat seinen Namen der braun-orangen Brust und Kehle zu verdanken. Wegen seines weißen Gesichtsbandes über den Augen wird das Braunkehlchen auch „Wiesenclown“ genannt. Sein Lebensraum sind feuchte Wiesen, Brachen und Feldränder. Wichtig sind einzelne Büsche, hohe Stauden oder Zaunpfähle, welche die Vögel als Sing- und Ansitzwarte nutzen. Das Braunkehlchen hat eine besondere Strategie, um sich vor Fressfeinden zu schützen: Taucht ein Greifvogel am Himmel auf, nimmt es eine „Pfahlstellung“ ein und versucht so, sich unsichtbar zu machen. Als Nahrung bevorzugt der Singvogel Insekten, Spinnen und Würmer, im Herbst auch Beeren.
In Deutschland ist die Art stark gefährdet. Insgesamt leben hier noch 19.500 bis 35.000 Brutpaare, Tendenz stark fallend. Sie kommen fast überall in Deutschland vor, am häufigsten aber im Osten und Nordosten, und zwar in weniger dicht besiedelten Regionen. In Niedersachsen ist das Braunkehlchen mittlerweile sogar vom Aussterben bedroht. Das bedeutet, dass die Art in absehbarer Zeit aussterben wird, sofern die Gefährdungsursachsen fortbestehen. Bei einer landesweiten Erfassung des Braunkehlchens im Jahr 2008 wurden laut „Atlas der Brutvögel in Niedersachsen und Bremen“ etwa 2.200 Reviere ermittelt. Bis 2020 hat sich der Bestand auf 1.100 Reviere reduziert. Diese Reviere befinden sich schwerpunktmäßig in den Naturräumlichen Regionen Lüneburger Heide und Wendland, den Watten und Marschen, der Stader Geest und dem Weser-Aller-Flachland.
Zur Preisverleihung wird das Braunkehlchen nicht zugegen sein. Es ist ein Langstreckenzieher und dementsprechend bereits im September in den Süden aufgebrochen. Der kleine Singvogel überfliegt zunächst die Sahara und verbringt den Winter dann in Afrika, mehr als 5.000 Kilometer entfernt von seinem Brutgebiet. „Im April kommt das Braunkehlchen wieder zu uns zurück. So wie auch viele andere Zugvögel, fliegen die Braunkehlchen in der Nacht. Den Tag nutzen sie, um nach Nahrung zu suchen oder sich auszuruhen. Bei uns angekommen, suchen sie blütenreiche Wiesen und Brachen, um dort in Bodennestern zu brüten. Diese Habitate verschwinden jedoch zunehmend, was auch der Grund für den starken Rückgang des Braunkehlchens ist“, so Pohlen.