Sonntag, 16. Juli 2017

Familienleben auf Glasplatten

Ausstellung mit Bildern des Fotografen Arthur Creutz

FOLKERT FRELS / Text / Fotos
Aufgenommen im Fotostudio Creutz in der Bahnhofstraße.
Der Uelzener Werner Seitschek (81), bestätigt, was denen, die da am Sonnabendvormittag vor der Leinwand stehen, um die Dia-Schau mit Bildern des Fotografen Arthur Creutz zu verfolgen, nicht ganz so klar ist: „Natürlich, das ist Warneckes Konzertgarten in Veerßen. Und da“ – er tritt näher an das Foto heran und zeigt auf den linken Trakt des Gebäudes – „das da war nicht verglast, war offen.“ Klaus Lehmann, Leiter des Museums Hitzacker, greift sich sein Notizbuch und trägt dies neue Wissen sofort zur Nummer des gezeigten Bildes ein. Wieder ein Foto erkannt. Die ebenfalls auf dem Foto abgebildete Hochzeitsgesellschaft erscheint schon fast nebensächlich, Hauptsache, der Ort des Geschehens ist erst einmal geklärt. Das Wann und Wer kommt vielleicht später …
„Familienleben auf Glasplatten“ ist der Titel dieser Ausstellung im Souterrain der Bücherei für Stadt und Kreis Uelzen, die Horst Hoffmann am Sonnabendvormittag inmitten des zeitgleich stattfindenden Bücher-Flohmarktes eröffnete. Gezeigt wird eine kleine Auswahl von Fotos, die aus dem Nachlass des Fotografen Arthur Creutz stammen. Geboren im Jahre 1882 in Uelzen, wurde er von 1896 bis 1899 in seiner Heimatstadt in seinem Beruf ausgebildet, machte sich nach Ableistung seines Militärdienstes 1905 als Fotograf in Uelzen selbständig – sein Studio befand sich an der Bahnhofstraße. Er war in der Zeit DER Fotograf in Uelzen. Unzählige Glasplatten  der von ihm porträtierten Einzelpersonen, Gruppen und ganzen Hochzeits-Gesellschaften nahm er mit, als er 1933 nach Hitzacker übersiedelte. Zwischen 1910 und bis weit in die 1950er Jahre hinein, als Plattenkameras zu aufwendig wurden und die Zeit des Rollfilmes begann, machte Creutz zahlreiche Porträts im Stil des jeweiligen Zeitgeschmacks.
1955 feierte er in Hitzacker Geschäftsjubiläum (50 Jahre), sechs Jahre später, 1961, starb er. Der riesige Bestand an Fotografien – über 3000 Glasplatten -, die zugleich auch Zeit-Zeugnisse sind, fand eine neue Heimstatt im Museum Hitzacker „Das Alte Zollhaus“. Mehrere Ausstellungen hat Klaus Lehmann, der Leiter dieses Museums, bereits veranstaltet – letztlich auch, um mit Hilfe der Ausstellungsbesucher herauszufinden, wer auf diesen Fotos festgehalten wurde, wo und wann diese Aufnahmen gemacht wurden.
Monika Gorillé und Klaus Lehmann vom Museum Hitzacker 
bei der Ausstellungseröffnung.
Dieses Anliegen hat er auch im Hinblick auf die Ausstellung in der Stadtbücherei in Uelzen. Mit seiner engagierten Assistentin Monika Gorillé zusammen führt er in diese Bilderschau ein. Die Zeit, in der die Fotos entstanden, wird dabei ebenso beleuchtet wie das berufliche Leben des Fotografen, dessen Kinder und Frau in mehreren Bildern gezeigt werden. Hauptsächlich sind es aber Aufnahmen aus Uelzen und Umland, die hier an den Wänden hängen und über die Gorillé und Lehmann gerne mehr erfahren möchten. Deshalb legen die beiden den in Uelzen alt Gewordenen den Besuch dieser Ausstellung nahe – vielleicht ist doch der eine oder die andere dabei, die noch jemanden auf den Fotos erkennen und eventuell auch noch zeitlich und örtlich einordnen können. Es sind – im wahrsten Sinne der Worte – Familienleben auf Glasplatten, die nicht zuletzt auch durch diese Ausstellung aus ihrer Anonymität geholt werden sollen.
Die Mitarbeit der Ausstellungsbesucher ist ausdrücklich
erwünscht.
Strahlende Augen bekommt Monika Gorillé, als sie von der 93 Jahre alten Dame berichtet, die eine der Ausstellungen in Hitzacker besuchte. Sie sei damals noch ein Kind gewesen, konnte aber noch jeden Gast auf einem Hochzeitsbild benennen. Das sei ein richtiger Glückstreffer gewesen.
Es gibt viel zu betrachten, lässt man sich auf die Fotos ein und vertieft sich in die Einzelheiten. Da ist „Die Braut in Schwarz“ – warum trug sie ein schwarzes Brautkleid? War sie schwanger und durfte deshalb nicht in Weiß heiraten? War es gerade Mode? Wie spiegelt sich überhaupt die Mode in diesen Fotos wider? Lässt sich dadurch der zeitliche Rahmen ein wenig einengen? Erstaunlich die Schärfe und exakte Wiedergabe der Fotos auch bei wandfüllender Vergrößerung – was damals mittels Glasplatten-Kamera möglich war, erreichen heutige digitale Spitzenkameras kaum – irgendwann zeigen sich dann doch die Pixel. Klaus Lehmann: "Die Brillanz der Glasplatten ist heute noch unglaublich - sie wurden bewusst nicht bearbeitet, um ihre Authentizität zu bewahren." Kleine Kratzer und andere Beeinträchtigungen lassen diese Fotos „leben“.
Die Ausstellung wird bis zum 11. August während der Öffnungszeiten der Bücherei gezeigt.

Hochzeitsgesellschaft vor dem Gasthaus Hillmann in Holdenstedt – wer erkennt noch jemanden auf dem Foto?