Montag, 14. August 2017

Die Wut als Anfangs-Impuls

Friederike Witt-Schiedung stellt in Uelzen aus
In den Bildern der Reihe "Lebensphasen" scheinen die Figuren wie Marionetten an Bändern zu hängen. "Wer sind die Strippenzieher?" fragt sich der Betrachter.
FOLKERT FRELS / Text / Fotos
„Die Wut ist für mich ein häufiger Anfangs-Impuls“ – damit erklärt Friederike Witt-Schiedung, wie sie an einen Teil der Bilder herangegangen ist, die seit Sonnabend im Ausstellungsraum der Bücherei für Stadt und Kreis Uelzen an der St. Marienkirche gezeigt werden. Sie habe sich ihre Wut auf das Alt-Werden, auf ihr eigenes Alt-Werden von der Seele malen wollen. So sagt sie, die 1941 in Uelzen geborene Tochter zweier Gewerbelehrer an der Uelzener Berufsschule.  Am Lessing-Gymnasium machte sie das Abitur, studierte an der Universität und der Hochschule für Bildende Künste in Hamburg (Schwerpunkt Buchkunst und Design), wurde Lehrerin in Suhlendorf. Der Aufbau der damaligen Sonderschule für Lernbehinderte motivierte sie zu zusätzlichen Semestern Sonderpädagogik, die sie mit dem Staatsexamen als Sonderschul-Lehrerin abschloss. Sie zog mit ihrem Mann nach Celle und unterrichtete an der dortigen Sprachheilschule. In Celle konnte sie neben ihrer Arbeit künstlerisch tätig sein, wurde 1994 in den Bund Bildender Künstler (BBK) Celle aufgenommen und beteiligte sich an vielen Kunstausstellungen. Seit 2006 ist sie zusätzlich Kuratorin der Kunstgalerie im Kulturcafé „nebenan“ in Winsen/Aller.
Friederike Witt-Schiedung malt sich ihre 
Wut von der Seele.
„Fazit II“ heißt ihre Bilderschau in der Stadtbücherei. Horst Hoffmann stellte in seiner Begrüßung die familiäre Verbundenheit der Künstlerin zu Uelzen heraus. Schon Albert Witt, ihr Vater, Gewerbelehrer für Maler, hat Bilder gemalt. Kurz vor der Geburt seiner Tochter meldete er sich im Mai 1941 freiwillig zum Kriegsdienst. Trotz der räumlichen Distanz zu seiner kurz darauf geborenen Tochter wollte er sie durch Bilder teilhaben lassen an der Welt, die er kennenlernte. Im Juni 1944 geriet Albert Witt in amerikanische Kriegsgefangenschaft, und da man ihm keine Malutensilien ließ, griff er auf andere Werkstoffe zurück: Aus Pappe, Draht, Holz und anderen Materialien  entstanden nach und nach kleine Kästchen, etwa 6,5 x 6,5 cm und 4 cm hoch mit einzelnen Objekten darin. Diese Spielzeug-Kästchen hatte er im Gepäck, als er nach seiner Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft im Juli 1947 wieder in seine Heimatstadt Uelzen zurückkehrte.  Ein Großteil dieser Kästchen ist noch bis Ende September im Schulmuseum Steinhorst unter dem Titel "for my children - Aus dem Seesack eines Kriegsheimkehrers 1947" zu sehen. Die Ausstellung spiegelt in fast 100 Grafiken und Objekten die Kreativität und den Einfallsreichtum Albert Witts wider. Diese künstlerische Ader hatte schon Amandus Witt, der Großvater von Friederike Witt-Schiedung: er war Malermeister und Kunstmaler in Celle.
In ihren ausgestellten Bildern drückt Friederike Witt-Schiedung aus, wie sie nach kürzlicher schwerer Krankheit die Menschen in ihrer Umwelt  sieht. Da sind die Kleinkarierten, die Verwirrt-Festgefahrenen und die, die betulich immer so weiter machen wollen. Seit ihrem „Ausgeliefertsein“, wie sie ihr Kranken-Dasein nennt, sind ihr „Ungewollte Berührungen“ nicht recht und so hat sie auch eines ihrer Werke genannt. „Marionette Mensch“ ist der Titel einer Collage, doch auch in den Zeichnungen der Reihe „Lebensphasen“ wirken die Personen wie an Bändern hängend, an Strippen gezogen. Friederike Witt-Schiedung: „Wie weit sind wir Marionetten in dieser Welt? Wer oder was führt unsere Fäden? Springen wir über den Abgrund – oder werden wir gesprungen?“
Musikalisch umrahmt wurde die Vernissage von Rainer Schiedung (Klarinette) und Lutke Ebeling (Gitarre). Sie spielten auch „Down by the riverside“ – für die Künstlerin ein Anlass darauf zu verweisen, dass ihr River daheim die Aller ist.
Wer sich einen eigenen Eindruck von diesen Bildern machen möchte – die Ausstellung wird bis zum 14. September in der Stadtbücherei Uelzen gezeigt.


"Kleinkariert" ist der Titel dieses Werkes.