Mittwoch, 15. April 2020

„Soodwippe“ auf dem Brümmerhof rekonstruiert

Vorrichtung erleichterte einst die tägliche Versorgung von Mensch und Vieh mit Brunnenwasser

Für den neuen Wipparm der "Soodwippe" wurde ein Baum vom Gelände des Museumsdorfes verwendet.
Foto: Museumsdorf Hösseringen
Direkt neben dem 1644 errichteten Haupthaus des Brümmerhofes steht ein Brunnen, der mit seinem langen „Wipparm“ immer wieder die Aufmerksamkeit der Museumsgäste erregt. „Brunnen heißt auf niederdeutsch ‚Sood‘, deshalb wird diese Vorrichtung auch ‚Soodwippe‘ genannt“, erläutert der Restaurator des Museumsdorfes Hösseringen, Philipp Ramünke. Der Brunnen führt kein Wasser, sondern dient der Veranschaulichung, welchen Stellenwert die schnelle Erreichbarkeit von Wasser früher für einen Haushalt hatte. Täglich wurden viele Eimer zur Versorgung des Viehs und für die Hauswirtschaft aus Brunnen dieser Art gehoben – eine schwere Arbeit. Als Arbeitserleichterung erfand man vor Jahrhunderten die „Brunnenwippe“: In der Gabelung eines senkrechten Pfostens dreht sich der Wippbalken aus einem behauenen Eichenstamm. An seinem dünneren Ende ist mittels eiserner Beschläge eine etwa drei Meter lange Stange befestigt, an der der Eimer in den Brunnen geführt und untergetaucht wird. Das dicke Ende des Wippbalkens dient als Gegengewicht beim Heraufziehen des vollen Eimers. Diese hilfreiche Vorrichtung wurde nun von Restaurator Philipp Ramünke wiederhergestellt. „Verwendet wurde ein Baum hier vom Museumsgelände“, so Ramünke. Dieser sei an Ort und Stelle geschält und geglättet worden.
Der freistehende obere Brunnenring diente als Schutz vor dem Hereinfallen (1639 ertrank der Hösseringer Bauer Karsten Wönnecken in seinem Brunnen).
Der Brunnenschacht des Brümmerhofes ist aus Obernkirchner Sandstein gehauen, dieses Baumaterial war teuer und gelangte m 17. und 18. Jahrhundert nur auf die Höfe größerer Bauern – oft als Hochzeitsgeschenk. Die üblichere Konstruktion des Brunnenschachtes bestand aus Feldsteinen, den oberen Schutz gewährleistete ein hölzerner Verschlag.
Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts wurden die Brunnen auch aus Backsteinen oder Betonröhren errichtet, in dieser Zeit kamen auch Pumpen auf, die das Wasser ins Haus transportierten und das „Wasserschleppen“ der Frauen reduzierten. Die „Soodwippe“ wurde überflüssig.

Diese alte Fotografie zeigt einen Ziehbrunnen in Benutzung, vermutlich in Schmarbeck.
Quelle: Andreas Vonderach: "Landleben in der Heide, Volkskundliche Fotografien von Wilhelm Carl-Mardorf", Boyens Verlag 2005

Dienstag, 14. April 2020

Neues Trittsteinbiotop an der Fuhse in Altencelle

Naturschutzmaßnahmen im Rahmen des Barben-Projektes der Aktion Fischotterschutz

Im Rahmen des Projektes „Artenvielfalt in der Aller – Neue Lebensräume für die Barbe“ hat die Aktion Fischotterschutz in der Fuhse im Süden der Stadt Celle mit Kies, Totholz und Baumpflanzungen neue Lebensräume für eine Vielzahl von Tierarten und Laichplätze für kiesliebende Fischarten wie zum Beispiel die Barbe geschaffen.

Der Einbau von Stammholz, Kies und Totholz schafft auf kleinem Raum eine Vielzahl wichtiger Lebensräume und erhöht die Tiefen- und Strömungsvielfalt. Fotos: Aktion Fischotterschutz e.V.
Wie so viele Fließgewässer im Einzugsgebiet der Aller wurde auch die Fuhse zu Gunsten der menschlichen Nutzung ausgebaut sowie begradigt und wird heute als erheblich verändertes Gewässer eingestuft. Seit einiger Zeit findet jedoch ein Umdenken statt, und an einigen Stellen werden natürliche Prozesse und die Ausbildung kleinräumiger, naturnaher Strukturen zugelassen. Bei Fischbestandserhebungen in der Fuhse konnten bereits junge Individuen der anspruchsvollen Fischart Barbe nachgewiesen werden. Trotz dieser positiven Nachweise wurde jedoch bei einer Gewässerkartierung festgestellt, dass der für die Fortpflanzung und das Überleben vieler Fischarten so wichtige Kiesanteil in der Gewässersohle und die Menge an Totholz im Gewässer unnatürlich gering sind. In enger Zusammenarbeit mit dem Unterhaltungsverband Fuhse-Aue-Erse und der Stadt Celle sowie mit Einwilligung der Gewässer- und Flächeneigentümer konnte nun auf einer Gewässerstrecke von über 120 Metern die Lebensraumvielfalt im und am Gewässer wieder verbessert und Kieslaichplätze für die Barbe und weitere in Niedersachsen gefährdete Fischarten geschaffen werden.
 An der Maßnahmenstrecke waren am westlichen Ufer große Teile alter Weiden abgebrochen. Sie lagen stellenweise im Gewässer und sollten entfernt werden. Wichtige Unterstände für die Fischfauna und Lebensräume für Gewässerlebewesen drohten verloren zu gehen. Nach Absprach mit der Stadt Celle und dem Unterhaltungsverbandes Fuhse-Aue-Erse war es möglich, Teile dieser Weiden als Raubaum im Gewässer zu verankern. Lenkbuhnen aus Stammholz helfen die weitere Entwicklung der entstandenen Strukturen wie Kolke und durchspülte Unterstände zu unterstützen. Mit insgesamt 117 Tonnen Kies wurden zusätzlich mehrere Kiesbänke angelegt. Fünf in der Böschung verankerte Stammhölzer lenken nun die Strömung auf die eingebauten Kiesbänke und verhindern zum einen, dass sich feine Sedimente auf den Kiesbetten ablegen, und zum anderen unterstützen sie eine natürliche PendeIbewegung des Gewässers. Natürliche Bedingungen eines mäandernden Flusses, wie Strömungs- und Tiefenvielfalt, werden dadurch nachgeahmt und es entsteht eine Vielzahl kleiner Lebensräume, die von Fischen, aber auch von Kleinlebewesen genutzt werden können. Die aus dem Weidenrückschnitt gewonnenen Raubäume wurden parallel zum Ufer verankert und bieten mit ihrem verzweigten Geäst Unterschlupf für Jung- und Kleinfische.   Um die Beschattung des Gewässers zu verbessern, wurde an mehreren Uferstellen die Grasnarbe entfernt, um eine natürliche Verbreitung von Gehölzen zu fördern. Ergänzt wurde die Gehölzentwicklung mit einer Initialpflanzung von neun Schwarzerlen. Der Einbau der Strukturen im Gewässer erfolgte im Niedrigwasserbereich und hat keinen Einfluss auf den ordnungsgemäßen Hochwasserabfluss.
 „Ursprünglich war die Umsetzung dieser Maßnahme bereits für den November 2019 geplant. Die andauernd hohen Wasserstände haben uns allerdings einen Strich durch diese Rechnung gemacht. Wir sind sehr froh, dass wir diese Maßnahme noch umsetzen konnten bevor im Frühjahr die laichenden Fischarten aus der Aller in die Nebengewässer aufsteigen“, berichtete Sören Brose, Fischereibiologe der Aktion Fischotterschutz. Auch Steffen Hipp, Verbandsingenieur des Unterhaltungsverbands Fuhse-Aue-Erse, zeigte sich zufrieden mit der abgeschlossenen Maßnahme: „Die Umsetzung dieser Revitalisierungsmaßnahme und die enge Kooperation mit der Aktion Fischotterschutz zeigen ganz deutlich, dass sich Gewässerunterhaltung und Naturschutz nicht ausschließen müssen. Mit einer vertrauensvollen Zusammenarbeit kann gemeinsam eine positive ökologische Gewässerentwicklung gefördert werden“.

Bei der Bauabnahme zeigten sich alle Beteiligten sehr zufrieden mit dem Ergebnis (von links):  Steffen Hipp vom Unterhaltungsverband Fuhse-Aue-Erse, Norman Rohrpasser und Markus Poensgen (beide von der Stadt Celle).
Ziel des Projekts „Artenvielfalt in der Aller – Neue Lebensräume für die Barbe“ ist es, durch die Verbesserung der Gewässerstrukturen neue Lebensräume für die selten gewordene Fischart Barbe im Einzugsgebiet der Aller zu entwickeln und die biologische Vielfalt insgesamt im Gewässer zu fördern. Die Naturschutzmaßnahmen erfolgen in Zusammenarbeit mit den lokalen Akteuren. Begleitet werden die Naturschutzmaßnahmen durch Öffentlichkeitsarbeit und Umweltbildung mit dem Fluss-Fisch-Mobil, das im gesamten Projektgebiet im Einsatz ist. Hiermit sollen Menschen für die heimischen Fischarten und für die Bedeutung naturnaher Fließgewässer sensibilisiert werden. Das Barben-Projekt wird über das Bundesamt für Naturschutz im Rahmen des Bundesprogramms Biologische Vielfalt mit Mitteln des Bundesumweltministeriums und über das Land Niedersachsen bis zum Jahr 2024 gefördert.