Die Aktion Fischotterschutz hat gemeinsam mit dem Unterhaltungsverband 46 Wietze (UHV Wietze), mit Unterstützung der Wintershall Dea Deutschland und des Zweckverbands Abfallwirtschaft Celle eine Maßnahme zur Erhöhung der Lebensraumvielfalt in der Wietze umgesetzt. Das geschah im Rahmen des Projektes Artenvielfalt in der Aller – Neue Lebensräume für die Barbe.
Es rauscht und strömt wieder an der Wietze. Der Einbau von Lenkbuhnen hat die Strömungs- und Tiefenvielfalt deutlich erhöht. Foto: Aktion Fischotterschutz e.V. |
Einst floss die Wietze durch das produktivste Erdölfördergebiet Deutschlands. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts entwickelte sich hier eine Industrie aus Bohrtürmen, Raffinerie, Bahnhof und Hafen, um das hier vorkommende Rohöl zu fördern, zu verarbeiten und abzutransportieren. Heute sind oberflächlich nur noch Spuren dieser Industrie zu finden. So ist es auch nicht verwunderlich, dass die Wietze in diesem Gebiet stark zu Gunsten der menschlichen Nutzung verändert wurde und sie sich in keinem natürlichen Zustand mehr befindet. Das stellenweise viel zu breite Profil des ausgebauten Gewässers führte dazu, dass die Wasserstände bei Niedrigwasser so gering waren, dass größere Fische die Wietze stellenweise nicht mehr passieren konnten. Hinzu kam, dass die Gewässersohle aus sehr feinem und mobilem Sand bestand. Dieser Treibsand überlagert wichtige Hartsubstrate wie Kies und Totholz, aber auch im Gewässer wachsende Pflanzen. Die Entstehung wichtiger Strukturen für Kleinlebewesen und Fische wurde dadurch stark reduziert.
Dennoch konnte im Unterlauf der Wietze in den vergangenen Jahren eine Vielzahl von Fischarten, darunter auch die anspruchsvolle Barbe, nachgewiesen werden. In Kooperation mit dem Unterhaltungsverband 46 „Wietze“ und in enger Zusammenarbeit mit der Wintershall Dea wurde mit Einwilligung der Gewässer- und Flächeneigentümer nun auf einer Gewässerstrecke von über 150 Metern die Lebensraumvielfalt und die für die Wanderung von Wasserorganismen so wichtige Durchgängigkeit im Unterlauf der Wietze verbessert.
Ziel der Maßnahme war es, durch den gezielten Einbau von Lenkbuhnen aus Stammhölzern, Kiesbänken und Wurzelstöcken das Gewässer stellenweise einzuengen, vertiefte Niedrigwasserrinnen zu schaffen und eine pendelnde Bewegung des Gewässers zu initiieren, welche zu der so wichtigen Strömungs- und Tiefenvielfalt eines natürlichen Flussverlaufes führt. Die so genannten Hartsubstrate, Kies und Totholz, dienen zusätzlich als Lebensraum für Kleinlebewesen und Jungfische. Eine etwa 50m² große Kiesbank bietet den aus der Aller aufsteigenden Kieslaichern wie Barbe, Bachforelle oder Neunauge ein gutes Laichhabitat. Durch die Genehmigung des Zweckverbands Abfallwirtschaft Celle konnte die Böschung durch Abtragungen an mehreren Stellen, leicht geöffnet werden. Der Fluss wurde an diesen Stellen quasi entfesselt und eine eigendynamische Entwicklung des Flussbettes ermöglicht. Insgesamt wurden 13 Baumstämme, 9 Wurzelstöcke, über 130 Tonnen Kies und elf Tonnen Stein in das Gewässer gebracht. Die Baumstämme wurden vom Niedersächsischen Forstamt Fuhrberg kostenlos zur Verfügung gestellt.
Um das gegenüberliegende Ufer vor Unterspülung zu schützen wurden aus den Kronen von Weiden sogenannte Faschinen gebunden, welche parallel zum Ufer mit Holzpfählen befestigt wurden. Das Geflecht aus Weidenzweigen vermindert nicht nur die Strömung am Ufer, sondern dient zusätzlich einer Vielzahl von aquatischen Organismen als Lebensraum. Eine Ölbarriere wurde vor Beginn der Baumaßnahme errichtet, um potenziell austretendes Öl aufzufangen. „Wir haben hier auf kleinem Raum eine Vielzahl von Habitaten geschaffen, die der Artenvielfalt in der Wietze zugutekommen werden. Die Flutrinnen, die jetzt auch bei Niedrigwasser gut durchströmt sein werden, sind für die Vernetzung der Aller mit ihrem Nebengewässer, der Wietze, unheimlich wichtig,“ merkte Sören Brose, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Aktion Fischotterschutz e.V., an.
Seitens Wintershall Dea Deutschland unterstützten Tim Müller, Anna Ruschitzka und Lutz Senning die Revitalisierungsmaßnahme: „Es freut uns, dass wir uns an dieser erfolgreichen Naturschutzmaßnahme beteiligen konnten. Damit haben wir einen natürlichen Lebensraum geschaffen, der hoffentlich schon bald von Flora und Fauna angenommen wird. Wir hoffen sehr, dass auch die Barbe wieder heimisch wird. Zum Schutz unserer Natur haben alle Beteiligten an einem Strang gezogen und ich möchte mich herzlich für die reibungslose ökologisch wertvolle Umgestaltung bedanken,“ so Senning.
Die Umsetzung eines etwa 50 Meter langen Teilstücks der Maßnahme wurde vom UHV Wietze finanziert. Gerald Roloff, Geschäftsführer des UHV Wietze fügte hinzu: „Die Tatsache, dass das Maßnahmengebiet dem Bergrecht unterliegt und bei der Umsetzung tatsächlich mit der Freisetzung von Altlasten oder Rohöl gerechnet werden musste hat von allen Beteiligten auch viel Mut verlangt. Mit viel Engagement und guter Zusammenarbeit haben wir hier für die ökologische Entwicklung der Wietze und auch der Aller einen großen Schritt nach vorn gemacht.“
Trotz Maskenpflicht und Sicherheitsabstand konnten bei der Bauabnahme alle Beteiligten einen guten Eindruck von der gelungenen Maßnahme gewinnen. Foto: Aktion Fischotterschutz e.V. |
Das Projekt Artenvielfalt in der Aller – Neue Lebensräume für die Barbe ist ein Naturschutzprojekt der Aktion Fischotterschutz e.V. Ziel des Projektes ist es, durch die Verbesserung der Gewässerstrukturen neue Lebensräume für die selten gewordene Fischart Barbe im Einzugsgebiet der Aller zu entwickeln und die biologische Vielfalt insgesamt im Gewässer zu fördern. Die Umsetzung der Naturschutzmaßnahmen erfolgt in Zusammenarbeit mit den lokalen Akteuren. Begleitet wird die Umsetzung der Naturschutzmaßnahmen durch Öffentlichkeitsarbeit und Umweltbildung mit dem Fluss-Fisch-Mobil, das im gesamten Projektgebiet im Einsatz ist. Hiermit sollen Menschen für die heimischen Fischarten und für die Bedeutung naturnaher Fließgewässer sensibilisiert werden. Das Barben-Projekt wird über das Bundesamt für Naturschutz im Rahmen des Bundesprogramms Biologische Vielfalt mit Mitteln des Bundesumweltministeriums und des Landes Niedersachsen bis zum Jahr 2024 gefördert.